Mann/Frau Partnerschaft im Wandel

Die Frage ist, was wandelt sich und warum?

Haben wir uns nicht schon immer verändert, ist nicht das gesamte menschliche Leben seit tausenden von Jahren Wandlung?

 

Sicher und doch gibt es nach meinem Gefühl Phasen, in denen größere Umbrüche stattfinden und dann wieder Phasen, in denen sich die statt gefundenen Umbrüche festigen und innerhalb dieser neuen Erkenntnisse experimentiert wird, Dinge ausprobiert werden.

 

Das was jetzt geschieht, seit einigen Jahren, ist meiner Meinung nach die Entstehung ganz völlig neuer Sichtweisen, im Vergleich zu den letzten 2-3 tausend Jahren.

 

Ich bin die Autorin des Buches „Das Tor ins Leben“, einem Bilderbuch über weibliche Genitalien, welches vor allem für Frauen als Aufklärungsmaterial dienen soll, da es leider in unserer Kultur und Gesellschaft bis heute kein positives Bild für weibliche Geschlechtlichkeit gibt. Vielleicht liegt das schon im Wort „Geschlecht“ begründet – was klingt wie: Geh SCHLECHT. Wem sollte es also mit so etwas gut gehen können? Die ganze große Bewegung von Gleichberechtigung, die ich durchaus sehr würdige, brachte aber leider den Effekt mit sich, dass die Frauen versuchten bessere Männer zu werden, was ihnen teilweise nur zu gut gelungen ist, auch hier spreche ich aus Erfahrung. Was auf der Strecke blieb, war die Weiblichkeit an sich, das Verständnis dafür, die tiefe Achtung davor und das Wissen darum.

Wir haben dem Leben das Weibliche entzogen, weil das Weibliche nicht als lebensnotwendiger Wert erkannt wurde, weil nicht erkannt wurde, das dass Weibliche Prinzip, das schöpferische Prinzip, in der Welt ist – wenn Menschen und Erde gesund bleiben wollen. Wir haben als Weltgemeinschaft, in den letzten tausend Jahren, das Gleichgewicht zwischen Yin und Yan oder männlichem und weiblichem Prinzip völlig verloren. Unsere Welt wurde beherrscht von männlichen Werten, da die Weiblichen verteufelt und ausgerottet wurden.

Es wird deutlich, dass ich hier nicht Männer und Frauen meine, denn die Frauen wurden nicht ausgerottet, es gibt sie noch – doch das, was Weiblichkeit aus macht, Hingabe, Intuition, Verbundenheit mit allem, Fürsorge, Vertrauen in das Leben, im Moment sein, echter Selbstausdruck, Spontaneität, Kreativität, Geschehen lassen, Schöpferkraft und vieles mehr ging uns Menschen zu großen Teilen verloren – Frauen wie Männern.

Seit einigen Jahren, versuchen immer mehr Menschen diese Werte wieder zu beleben, auch die neue Frauenbewegung tut das mit ganzer Kraft und ich zähle mich auch dazu, diese Werte wieder bewusst zu machen und sie vor allem selbst zu leben.

Die neue Frauenbewegung kämpft nicht mehr, sie sieht auch den Mann nicht mehr als Feind oder Gegner, sie ist nicht im Vorwurf gegen das, was den Frauen im Laufe der Menschheitsgeschichte angetan wurde. Denn scheinbar haben wir Menschen diese Art von Entwicklung gebraucht, warum sonst, sollte dies alles geschehen sein? Wenn wir ohne Groll, ohne Vorwurf und Hass zurück blicken, was wir daraus lernen können, dann können diese oft grausamen Entwicklungen ein richtiges Geschenk für uns werden. Ein Geschenk in dem Sinne, dass wir erkennen, dass wir das Weibliche wieder erinnern müssen und uns selbst und die Welt wieder in ein Gleichgewicht bringen müssen – um auch noch zukünftigen Generationen eine Erde überlassen zu können, auf der das Leben menschlich und lebenswert ist.

Auf einem meiner Vorträge zum Thema: Selbstermächtigung und weibliche Schöpferkraft, fragte mich eine Besucherin, wie das denn gehen soll, wenn immer mehr Frauen erwachen, wenn immer mehr Frauen aussteigen aus dem alten Rollenbild und die Verantwortung für sich und das Leben in der Welt wieder ganz zu sich nehmen – solange die Männer noch in ihren Konzepten und Strukturen fest stecken? Wie soll ein Miteinander, wie soll Partnerschaft und Kindererziehung funktionieren, wenn die Frauen nur schwerlich einen Partner finden, der erkennt, worum es geht und bereit ist, diesen neuen Weg mit zu gehen? Gerade Frauen ab 40 sind oft schon jahrelang alleine, da sie nicht mehr bereit sind, eine Beziehung unter den alten „Vorstellungen“ einzugehen.

Es kam die Frage auf, ob es vielleicht einfach so ist, dass Frauen gerade ein großes Stück des Weges alleine gehen, wie auch Inaqiawa das in ihrem Roman „Die Rückkehr des weiblichen Prinzips“ beschreibt - bis die Männer erkennen, dass dies nicht gegen das Leben, gegen sie als Männer oder gegen Beziehung zu deuten ist, sondern dass diese Frauen eine völlig neue Qualität von Beziehung leben wollen, zu der sie die Männer einladen, diese neue Art gemeinsam zu kreieren.

 

Und es gibt sie auch, die Männer, die sich treffen unter Männern, die ganz ähnlich denken und fühlen und auf dem Weg sind, die die neuen Sicht- und Fühlweisen mit formen, Männer, die gerade dabei sind auch den Begriff „Männlichkeit“ ganz neu zu definieren. Männer die beginnen, sich um die Kinder viel mehr Gedanken zu machen und Wege suchen, wie unsere Kinder davor bewahrt werden können, unbewusst die alten nicht mehr tragenden Strukturen ihrer Eltern und ihres Umfeldes zu übernehmen, wie es seit Generationen der Fall war.

 

Das was da geschieht, ist wundervoll, es ist in der Tat so etwas, wie eine neue Weltordnung erschaffen, in der es in erster Linie um Menschlichkeit und Gleichgewicht geht, um Individualität und das wieder Entdecken der eigentlichen Lebensenergien, die jenseits von materieller Macht, Ahnentafeln und Gender liegen. Sie sind dort zu finden, wo Anerkennung der Vielfalt und Individualität, Wertschätzung und Respekt vor allem Leben, auch der Erde selbst und Vertrauen in den Fluss des Lebens, gelebt wird.

 

Bisher funktionierte Beziehung so, dass die meisten sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt hatten – um gemeinsam leben zu können. Dabei wurde den Wenigsten bewusst, dass der größte Teil ihrer Individualität, ihres Wesens dafür geopfert wurde. In der ersten Phase der Verliebtheit ist das auch schwer zu spüren, denn da, wo pures Glück ist, ist keine Spur von Verlust. Doch nach dieser Zeit, fühlten sich viele Menschen innerhalb ihrer Beziehung eingeengt, hatten das Gefühl, nicht wirklich all das Leben zu können, was in ihnen schlummert, sich nicht selbst verwirklichen zu können und nicht in ihrer Ganzheit vom Partner geliebt und angenommen zu sein.

Da wo das zu drastisch wurde gingen die Beziehungen auseinander, oft mit dem gegenseitigen Gefühl von Unverständnis und Vorwurf.

Dabei sollte es unser erstes Menschenrecht sein, das wir so leben dürfen, wie wir sind, dass wir uns zu dem entwickeln dürfen, wer wir sein wollen und sollen und selbstverständlich damit anerkannt und geliebt sind.

Genau das ist aber unter den Strukturen der althergebrachten Beziehungsformen oft unmöglich, es ist überhaupt nicht vorgesehen. Wir haben uns also seit tausenden Jahren dadurch selbst beschnitten und beschneiden meist auch unsere Kinder schon früh zeitig, indem wir ihnen zeigen, was geht und was nicht geht. Wie man sein muss und soll und wie man nicht sein darf.

 

Die wirkliche Menschwerdung steht uns also noch bevor!

 

Grit Scholz